Über Stalker und die Rewindabilty des Lebens
by Ben
Dass das Lokal der Berlin Biennale in Eisenhüttenstadt vor allem als Zone bzw. Zona der Möglichkeiten aufscheint, in der es irgendwo wo einen Raum gibt, in dem etwas Fantastisches mit der eigenen Innerlichkeit geschehen kann, nämlich dass man plötzlich mehr irgendwie als irgendwo vor einer Машина желаний steht, deren Zahnrädchen und Kurbelwellen aber nur in einem selbst in Bewegung gesetzt werden können, bedeutet nicht, dass es nicht generell beobachtet wird. Ob diese Beobachter nun gleich Geoff Dyer folgen, wenn dieser in seinem Tarkovsky-Buch mit dem treffend traumwandlerischen Titel Zona: A Book About a Film About a Journey to a Room (New York: 2012) schreibt
„in any magical realm there is always some deeper recess or chamber of more powerful magic” (S.76)
hängt ganz davon ab, ob sie bereit sind die Prämisse zu akzeptieren, die sich im Raum von The Bloom in the System klein und grün bzw. üppig und weiß entfaltet.
Die beiden mittelalten Herren des heutigen Nachmittags schauten jedenfalls mit großer Spannung durch die staubtrübe Schaufensterscheibe und nach dem ich mich fotografisch als hochinteressierter Stalker ausgelebt hatte (sh. nachfolgende Aufnahme) wollte ich mich gern auch als ein im Tarkovsky’scher Stalker verdingen. Allerdings wandten sich die Herren zunächst einmal vom Fenster zur Straße und damit etwas ab.
Dennoch entstand ein kurzes Gespräch, wobei ihr Hauptinteresse der Frage galt, aus welchem Jahr das den Pflanzen zur Seite gestellte Polaroid (hier rechts im Bild) stammt, das den Bezug der Stadtwahrnehmung im Sinne einer Auseinandersetzung
– mit dem permanenten Werden (Sofortbild vom Mai 2012, die Stadt beobachtende Kinder) bei
– gleichzeitig präsentem Verlust (buchstäblich das letzte Polaroid-Foto aus Originalproduktion, das ich noch hatte),
– Scheitern (der unbebaute Zentrale Platz) und
– Vergehen (das verfallende Gebäude des ehemaligen Hotel Lunik)
herstellen soll.
Und passend zu dieser so gut wie ausgestorbenen Form der Fotografie meinten sie, nachdem sie die Antwort erfuhren, dass ihnen ein viel älteres Datum plausibler erschienen wäre. Nun denn, so ist es auch gut und mit einem freundlichen Adé nahmen sie ihr Grillgut vom benachbarten Imbiss und ich nahm meine Kamera für die Suche nach einer roten Mohnblume, dieser magischen Blüte der tiefen frühen Sommer, und unsere Wege gabelten sich.
In Addition zum bisherigen Bestand findet sich seit heute an der Rückwand dieses Raum 2 eine weitere Botschaft, deren Bedeutung möglicherweise den Kern tatsächlich für ein “more powerful magic” birgt. Jedenfalls, wenn man der Prämisse folgt, dass das Magische immer auch ein magisches Denken ist, ein Ausgehen von einem Bedeutungsimpuls und einem offenen Erkunden all dessen, was daraus sich zu ergeben möglich ist. Wer es noch nicht ahnt, dem sei versichert, dass das jedenfalls das Verfahren ist, mit dem ich mich durch die schöpferischen Augenblicke meiner Tage schaufle, grabe und labyrinthe.
(bk, 17.05.2012 / Fotos: bk)